Liebeserklärung

Du bist müde. Macht nichts. Ich schlafe eigentlich noch. Komm her, zu mir. Damit ich meinen Kopf an Deine Schulter legen, meinen Körper an Deinen drücken kann, nur eine Weile, bis es mir zu unbequem wird, weil Deine Schulter zu hoch ist für meinen Kopf. Meine Füße an Deine legen, meine Finger mit Deinen verschränken und dann meine Hand in Deiner verstecken. Wärme. Lausche Deinem Atem, tief und gleichmäßig. Menschen, die sich lieben, haben einen gemeinsamen Rhythmus. Mein Herz schlägt im Takt mit Deinem, wir atmen in einem Zug. Ich drehe mich um, Du drehst Dich um, wir liegen Rücken an Rücken, stützen uns gegenseitig, verschränken unsere Traumflügel ineinander. Einem Menschen, dem ich vertraue, kann ich auch meinen Rücken zudrehen. Unsere Füße suchen und finden sich wieder. Ich spüre den Wegen nach, die Du gelaufen bist, die Deine Füße formten. Flüchte vor der hereinstürzenden Bilderflut in den Schlaf.
Ich wache davon auf, daß Du wach bist. Du liegst neben mir und schaust. Schaust mich an. Lächelst. Ich kenne die ersten Worte des Tages, weil wir schon oft so aufgewacht sind: Ich liebe Dich. Oder: Kaffee?
Ich schlafe schon seit einigen Stunden, als der Bus die Sonnenallee hochfährt, während ich aufwache und senkrecht im Bett sitze. Hörte ich da nicht gerade das Knarren der Wohnungstür? Nein, alles ist still. Die Katze versucht, unter meine Decke zu kriechen. Ich lege mich wieder hin, da höre ich die Haustüre schlagen, Schritte im Hinterhof, Schritte auf der Treppe, ein Schlüssel kriecht ins Schloß, dreht sich, die Tür knarrt. Ich warte, bis Du vor der Schlafzimmertür stehst, den Raum betrittst. Schaue Dich aus schläfrigen, halbgeöffneten Augen an...
Kann das sein, daß Du täglich ein bisschen schöner wirst?
Du liegst quer im Bett, hast mich in die Ecke gedrängt. Ich wache davon auf, daß Dein schlafschwerer Arm mich umfassend niederdrückt, während meine Füße über die Bettkante stürzen. Bleib ganz still. Der Muezzin ruft den Segen Allahs auf uns herab, der Morgen graut, die ersten Vögel singen trunken von ihren Träumen. Wie spät mag es sein? Zu früh. Dreh Dich um. Und Du drehst Dich um. Wo immer Du gerade bist, meine Stimme erreicht Dich überall. Ich drehe mich, schiebe mit träumenden Füßen Deine Beine über das Laken, strecke mich auf dem Rücken aus, blinzle in das blaue Morgengrauen, lausche dem Muezzin, den Vögeln, Deinem Atem - sie singen das gleiche Lied. Noch einmal umdrehen. Mich an Deinen Rücken lehnen, meinen Arm um Dich schlingen, mein Gesicht zwischen Deinen Schulterblättern vergraben, Deinen warmen Duft einatmen, einschlafen.
© 2006, Geschichten, die das Leben schrieb

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