Eine alte, aufgelebte Frau kommt herein, schaut kurz in die leeren Sitzreihen und setzt sich zielstrebig verschämt auf den Platz mir gegenüber. Tabak, Alkohol und ein zermürbendes Leben haben tiefe graue Linien in ihr Gesicht gezeichnet, die in groteskem Kontrast zu dem frischgeblümten bunten Kleidchen stehen, welches leichtstoffig ihren fetten, abgenutzten und ausgeleierten Körper verhüllt. In dünnen, fettigen Strähnen hängt ihr graues Haar vom Kopf herab und betont die Dunkelheit in ihren Tränensäcken, die auf ihren Wangenknochen ruhn. Listig schielt sie aus ihrer demütig weggewandten Haltung von schräg unten hoch zu meinem Hotdog und spricht: Gib mir ein paar Cent für mich. Ich krieg keene Sozialhilfe. Nein, antworte ich kauend und verziehe kopfschüttelnd keine Miene. Da beginnt sie zu schimpfen: Votze, blöde Votze! Frißt ihr Hotdog und ich muß verhungen! So eine blöde Votze! Sie wendet sich an die Frau auf der anderen Seite, die angestrengt geradeaus schaut: Haben sie das gehört! Diese Votze geht anschaffen und frißt dann hier ihr Hotdog! Vor meinen Augen! Zu mir gewandt: Ich hab kein Geld! Du Votze! Hungern tu ich!
Hungrig knurrt mein Magen auf dem Weg in den U-Bahnschacht, knurrt mich zielstrebig zum Hotdog-Stand und läßt mich von meinem letzten Geld ein Dänisches Hotdog ohne Gurken kaufen. Diesmal schafft es der ältere Herr trotz nervenzermürbender Langsamkeit, mir das Hotdog in die Hand zu drücken, als meine U-Bahn einfährt. Dort setze ich mich in den fast leeren Waggon so, daß ich aus dem Berliner Fenster heraus die Welt bestaunen kann, und beiße nach ausgiebiger Betrachtung von meinem Hotdog ab.
Genüßlich beiße ich von meinem Hotdog ab und lache leise in mich hinein. Aufgebracht springt die alte Vettel hinüber auf die andere Bank und schimpft los. Die gute Frau, die bisher starr weggeschaut hatte, rafft verzweifelt ihre schwarze Handtasche an sich und stürzt zum anderen Ende des Waggons. Verdutzt schaute die Alte ihr nach. Da fiel ihr Blick wieder auf mein Hotdog, das ich fast verspeist hatte: Votze! Das ist verboten! Friß nicht vor meinen Augen! Blöde Votze! Geh anschaffen!
Wenn sie so mit ihren Mitmenschen reden, gute Frau, dann ist es kein Wunder, daß ihnen niemand Geld geben will, antworte ich ihr lachend und stecke den letzten Bissen Hotdog in meinen Mund, lecke über meine grinsenden Lippen und betrachte amüsiert die alte Frau, deren Geschimpfe nun in ein Gemurmel übergegangen ist. Die U-Bahn hält, noch einmal trifft mich ihr giftigböser Blick, sie erhebt sich schweigend und steigt aus.